Redebeitrag Trans*Recht

Zum CSD Bremen 2020 stellen wir möglichst viele Redebeiträge der Kundgebung online, damit sie auch durchgelesen werden können und langfristig zur öffentlichen Diskussion beitragen.

Hier folgt der Redebeitrag vom Trans Recht e. V.


Wir sind von Trans*Recht e.V. und bieten in Bremen und im niedersächsischen Umland qualifizierte Peerberatung und Rechtsberatung für trans*Personen und ihre Angehörigen, sowie Rechtsberatung an. Außerdem machen wir uns dafür stark, dass Trans*personen mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Aufmerksamkeit bekommen und dass die medizinische und gesetzliche Schlechterbehandlung von trans* Menschen aufhört.

Das diesjährige Thema des Bremer CSD ist Regenbogenfamilien. Wenn man sich eine Regenbogenfamilie vorstellt, denkt man vielleicht meistens an zwei gleichgeschlechtliche Menschen mit einem oder mehreren Kindern. Es wird viel über Adoptionsrecht, Samenspenden und über traditionelle Geschlechterrollen bei der Kindererziehung gesprochen. Doch der Regenbogen ist bunter, denn auch trans* Menschen mit Kinderwunsch stehen heute noch vor großen Herausforderungen. Dies wird leider viel zu selten thematisiert.

Als Verein, der sich für die Rechte und Stärkung von Trans*personen einsetzt, sehen wir uns in der Verantwortung, auf genau jenen Umstand hinzuweisen. Deshalb hier ein kurzer Einblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit; Lebensrealitäten sind vielfältig.

Einige trans* Personen, die eine Hormonersatztherapie machen oder bestimmte Operationen in Anspruch nehmen, können hierdurch reproduktiv beeinträchtigt werden. Falls ein Kinderwunsch besteht, denken diese Menschen häufig über Wege nach, wie sie diesen Wunsch erfüllen können, ohne dabei ihre eigene seelische und körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit einschränken zu müssen. Beispielsweise gibt es heutzutage die Möglichkeit, Sperma oder auch Eizellen einfrieren zu lassen, damit diese später genutzt werden können, um den Betroffenen zu ermöglichen, eine höhere Chance auf leibliche Elternschaft zu erreichen.

Diese Verfahren sind unglaublich teuer und werden nicht durch das gesetzliche Gesundheitssystem unterstützt. Für trans* Leute, die das nötige Geld nicht haben, ist dies eine schwierige Situation. Manchmal muss sich der betroffene Mensch sogar zwischen seiner Transition und leiblicher Elternschaft entscheiden. Diese Wahl zwischen dem Recht nach dem eigenen Wohlsein und der eigenen Selbstbestimmtheit und andererseits dem Wunsch, Kinder zu bekommen, finden wir unzumutbar.

Im Bereich der Keimzellenkonservierung und künstlichen Befruchtung tut sich momentan gesetzlich etwas. Wenn eine Person durch einen medizinisch notwendigen Eingriff mit Sicherheit oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit unfruchtbar gemacht wird (beispielsweise durch Chemotherapie oder Eingriffe in den Reproduktionsapparat), ist zukünftig vorgesehen, dass Krankenkassen die Kosten für die Einfrierung von Keimzellen (Eizellen oder Sperma) übernehmen. In der Gesetzesregelung wird aber bisher nicht an trans* Personen gedacht.

Körpermodifizierende Maßnahmen, wie etwa eine Hormonersatztherapie oder chirurgische Eingriffe, die für die Gesundheit von einzelnen trans* Personen schlichtweg notwendig sind, sollen unserer Meinung nach als Kriterium für die Kostenübernahme mit aufgenommen werden. Uns ist wichtig zu betonen, dass medizinisch-chirurgische Transitionsmaßnahmen nicht zu den so genannten selektiven, also selbst gewählten Eingriffen zählen, sondern eine Notwendigkeit darstellen, um die Gesundheit der Betroffenen sicherzustellen.

In Fällen, in denen es bei Trans*vätern und nicht-binären Personen zur Schwangerschaft kommt, sehen sich die Betroffenen mit einem Gesundheitssystem konfrontiert, das überhaupt keine Ahnung davon hat, dass sie existieren. Unsere gesamte Gesellschaft geht davon aus, dass die Fähigkeit ein Kind auszutragen, etwas Grundweibliches ist, und dass nur Frauen schwanger sein können.

Aus diesem Grund ist es für nicht (ausschließlich) weibliche Menschen oft schwierig, überhaupt Behandler*innen zu finden, die bereit sind, sie in der Schwangerschaft zu unterstützen, und sie nicht degradierend behandeln oder als Kuriositäten ansehen.

Im besten Falle kommt es einfach nur zu ein paar Irritationen oder Kränkungen, viele Erfahrungsberichte zeigen aber, dass bei andauernder Missachtung oder Ablehnung durch die Behandler*innen die seelische Gesundheit der schwangeren Personen stark negativ beeinträchtigt werden kann. In besonders schweren Fällen kann es sogar sein, dass auch das körperliche Wohl von Elternteil und Kind fahrlässig geschädigt wird.

Trans*Schwangerschaft wurde bisher kaum empirisch untersucht und ist nicht Teil der gängigen Ausbildung von Gynäkolog*innen und anderen Geburtshelfer*innen. Das an sich ist problematisch. Es führt jedoch auch manchmal dazu, dass an schwangeren Trans*Personen Untersuchungen vorgenommen werden, die medizinisch unnötig sind und vor allem die übergriffige Neugier der Behandler*innen befriedigen soll.

Wir sind ausdrücklich dafür, dass Trans*Schwangerschaft in die medizinische Lehre mit aufgenommen werden soll und dass es in diesem Bereich Studien geben muss. Die Proband*innen dieser Studien müssen jedoch die Chance haben, in den Prozess einzuwilligen und freiwillig daran teilzunehmen. In der Praxis wird dies schlichtweg von manchen Ärzt*innen nicht beachtet. Dieses Vorgehen stellt eine Körperverletzung dar und verstößt gegen die Achtung der Menschenwürde.

Nach der Geburt wird in die Geburtsurkunde die Mutter und – falls bekannt – der Vater eingetragen. Nach deutschem Gesetz ist diejenige Frau, die das Kind geboren hat, die Mutter. Das bedeutet in der Praxis, dass trans*männliche und nicht-binäre Personen als Mütter mit dem alten Namen und Personenstand eingetragen werden, weil das Gesetz formell nur Frauen als Mütter kennt und es keine Lösung für gebärende trans*männliche und nicht-binäre Personen gibt.

Die Schwierigkeit hierbei – neben Irritationen bei bürokratischen Angelegenheiten – besteht darin, dass somit die Person, die das Kind geboren hat, unter Umständen die Elternschaft nicht nachweisen kann oder sich in bestimmten Situationen zwangsouten muss. Für dieses Problem muss eine Lösung gefunden werden.

Die Gesellschaft und das Gesetz müssen anerkennen, dass nicht nur cis-dya-Frauen austragen und gebären können. Gleiches gilt, wenn eine Trans*frau oder nicht-binäre Personen ein Kind zeugt. Sie gilt dann als Vater und wird ebenfalls mit falschem Namen und Personenstand in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen.

Neben der leiblichen Elternschaft besteht in Deutschland die Möglichkeit der gesetzlichen Adoption. Es gibt kein Gesetz, dass explizit trans* Personen als Adoptivelternteil ausschließt. Jedoch liegt die Entscheidungshoheit über den Erfolg einer Adoption bei den Jugendämtern und in der Praxis können Adoptionsverfahren aus verschiedenen Gründen erschwert oder auch abgelehnt werden.

Einer dieser Gründe kann in einer diskriminierenden Grundhaltung der sachbearbeitenden Person liegen. Erst seit 2017 erlaubt das Gesetz, dass homosexuelle Paare gemeinsam nicht-leibliche Kinder adoptieren. In der Praxis heißt das aber häufig, dass Vorurteile einen Adoptionsprozess negativ beeinflussen können. Gleiches lässt sich auch auf trans* Personen übertragen.

Personen, die über ein hohes Passing verfügen, also als das Geschlecht gelesen werden, das sie auch sind, und zum Zeitpunkt der Adoption, juristisch gesehen, in einer heterosexuellen Ehe leben, werden gesellschaftlich stärker anerkannt. Das kann zur Bevorzugung führen.

Aus unserer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, weshalb Faktoren wie die geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung der möglichen Eltern immer noch einen Einfluss auf den Ausgang eines Adoptionsverfahrens haben.

2015 gab es in der amerikanischen Medienlandschaft durch die Serie „Transparent“ einen ersten Versuch, trans* Elternschaft und überhaupt nicht exotisierende Darstellungen von trans* Menschen zu zeigen. Dieses Vorhaben gelang zum einen nur teilweise und zum anderen gab es keine Darstellung der oben genannten Umstände, sondern die Kinder der trans* Protagonistin waren bereits selber erwachsen.

Es existieren zwar einzelne Dokumentarfilme, die sich mit Trans* und Elternschaft beschäftigen, die guten Beispiele sind aber dem Mainstream kaum bis gar nicht präsent. Wirksame und positive Darstellung gibt es bis dato nicht. Das wünschen wir uns anders. Wir wünschen uns, dass wir in Debatten über Familienangelegenheiten genauso mitgedacht werden, wie cis-dya-Personen auch.

Kinder sollen in einem liebevollen und behütenden Umfeld aufwachsen. Dies gelingt in Regenbogenfamilien mindestens genauso gut wie in anderen Kontexten auch. Kinder sollten von Anfang an die Chance haben, zu lernen, wie eine bunte, pluralistische Gesellschaft aussieht.

Da wir in unserem Redebeitrag schon einiges zur Situation von trans* Eltern gesagt haben, möchten wir nun über Familien sprechen, in denen trans*geschlechtliche Kinder und Jugendliche leben.

Es gibt cis Familienmitglieder, die ihre trans*geschlechtlichen Kinder, Geschwister, Nichten, Neffen, Cousins, Cousinen etc. lieben und ihnen zur Seite stehen, wenn sie Ablehnung erleben.

Wenn ein junger Mensch feststellt, dass das nach der Geburt zugeschriebene Geschlecht nicht zum eigenen Empfinden passt, ist es aber nicht selbstverständlich, dass die Familie ein sicherer Hafen ist. Viele machen die Erfahrung, dass sie von ihren Familienmitgliedern nicht akzeptiert werden oder erst nach Jahren hingenommen wird, dass sie trans* sind.

Das führt dazu, dass trans* Personen von ihren Familien verstoßen werden oder ein Doppelleben führen müssen, um die familiäre Absicherung nicht zu verlieren. Bei Minderjährigen kommt erschwerend hinzu, dass sie von ihren gesetzlichen Vertretern abhängig sind. Sie haben nicht genug Geld, um selbst für sich zu sorgen, können in der Regel nicht ohne die Zustimmung ihrer Eltern medizinische oder therapeutische Leistungen in Anspruch nehmen und sind bei potentiell diskriminierenden Situationen (z.B. in der Schule) darauf angewiesen, dass ihre Eltern sich für sie einsetzen.

In vielen Städten gibt es mittlerweile Anlaufstellen für LGBTQIA+ Jugendliche. Für Minderjährige, die einen weiten Anfahrtsweg haben, für die queere Jugendzentren nicht barrierearm sind oder deren Eltern ihre Freizeit sowie ihren Internetzugang stark kontrollieren, sind die Spielräume aber besonders eng.

Außerdem ist es generell eine belastende Situation, wenn trans* Jugendliche ihre Identität vor den Personen geheim halten müssen, die sich eigentlich um ihr Wohlergehen kümmern sollten.

Sich gegenüber der Familie zu offenbaren, ist für viele trans* Kinder und Jugendliche mit großer Angst verbunden. Trotzdem gibt es Stimmen, die behaupten, trans* zu sein, sei ein Trend, den Teenager für sich entdecken. Nicht nur klassisch rechts positionierte oder konservative Leute äußern sich derartig.

Wir sind durch unser aktivistisches Arbeiten leider auch immer mal wieder mit Personen konfrontiert, die sich als feministisch und progressiv oder sogar selbst als Teil einer lesbischen oder schwulen Community sehen und auf die gleiche Art und Weise argumentieren, wenn es darum geht, dass Kinder und Jugendliche sich als trans* outen.

Dabei wurde und wird die gleiche Argumentationsweise von rechten und konservativen Bewegungen auch in Bezug auf sexuelle oder romantische Orientierungen benutzt. Jungen Menschen wird damit abgesprochen, dass sie sich ernsthaft mit ihrer Geschlechtsidentität, ihrer Sexualität oder ihren romantischen Gefühlen auseinandersetzen.

In den letzten Jahren hat sich allgemein gesprochen die mediale Darstellung von LGBTQIA+ Personen verbessert. Es gibt auch mehr sichtbare Vorbilder oder Gleichaltrige, mit denen sich Jugendliche austauschen können. Plattformen wie YouTube, Twitter, Instagram oder TikTok ermöglichen Jugendlichen, medial das zu konsumieren, was sie interessiert oder beschäftigt. Dadurch können sie auch schneller Worte für ihr eigenes Empfinden jenseits bspw. cisnormativer Standards finden und Teil einer Community werden, die sie offline ggf. nicht vorfinden.

Wir sehen es als positive Entwicklung, dass Jugendliche heutzutage freier leben können als vor 20, 30, oder 40 Jahren.

Wir würden gerne in einer Welt leben, in der Menschen nicht Jahre oder Jahrzehntelang Teile ihrer Identität aus Angst oder Scham unterdrücken und verheimlichen müssen.

Für uns ergibt es keinen Sinn, Kämpfe um Selbstbestimmung gegeneinander auszuspielen, denn als Gesellschaft können wir nicht frei und ohne Unterdrückung miteinander leben, wenn wir nicht sämtliche Diskriminierungsformen bekämpfen.