Stellungnahme Queeraspora


Selbstkritik ist niemals leicht. Dennoch ist die kritische Selbstreflektion enorm wichtig, um aus vergangenen Handlungen zu lernen und an ihnen zu wachsen. Die Aufarbeitung des Vergangenen stellt die Weichen für die Zukunft.

Als wir zu Beginn des Jahres innerhalb der Strukturtagung an unseren Leitlinien gearbeitet haben, wurde ein übergelagertes Ziel deutlich. Die gesamte LGBTIQA+-Community soll den CSD Bremen + Bremerhaven e.V. als eine Plattform wahrnehmen können. Uns ist bewusst, dass dies ein äußerst ambitioniertes Ziel ist. Wie kann ein solcher Spagat gelingen, wenn die LGBTIQA+-Community in ihren Eigenarten und Ansichten so grundverschieden ist? Was sind die Punkte, die uns einen? An welcher Stelle trennen sich Bedürfnisse? Wie bekommen wir es hin, die Lebensrealitäten der gesamten Community gerecht zu werden und auf eine solche Art darzustellen, dass auch andere Personen diese nachvollziehen können und als ebenso wichtig begreifen? Ist dies überhaupt möglich?

Fakt ist jedenfalls, dass wenn wir eine Plattform für alle sein wollen, dies nicht damit gleichzusetzen ist, dass wir alle dann auch auf gleiche Art behandeln können. Im Gegenteil müssen wir anerkennen, dass Hürden und Barrieren existieren. Für einige Personen stellen sie große Probleme dar und für andere Personen sind sie überhaupt nicht wahrnehmbar. Wenn wir alle mitnehmen wollen, dürfen wir keinesfalls jede Person auf dieselbe Art behandeln!

Warum schreiben wir diese Zeilen?

Diese Bewusstmachung ist ein wichtiger Schritt, um in unserer Aufarbeitung die richtigen Schlüsse zu ziehen. In den vergangenen Jahren haben wir als Verein mehrfach in der Kritik gestanden. Mit dieser Kritik wollen wir uns auseinandersetzen. Ein Verein, der zu unseren größten Kritiker*innen gehört, ist Queeraspora e.V. Hier hat es über Jahre diverse Vorfälle gegeben, die im Jahr 2021 zu einer Protestaktion geführt haben.

Die uns gegenüber geäußerten Kritikpunkte wollen wir Euch nicht vorenthalten. Ihr findet sie im Video von Queeraspora, das 2021 veröffentlicht worden ist.

Von den Geschehnissen 2021 waren wir überrascht. Innerhalb des Vereins gab es einige Personen, für die die Aktion schwer nachzuvollziehen war. Unser Verein sah sich vielen Kritiker*innen ausgesetzt und musste in irgendeiner Form damit umgehen. Dies führte zu einer Stellungnahme unsererseits, in der wir Queeraspora scharf kritisiert haben.

Was wir damals leider verpasst haben, war es den Kontakt zu Queeraspora in angemessener Weise zu suchen und zu halten. Wir haben nicht ausreichend hinterfragt, warum Queeraspora diese Art des Protests gewählt hat? Was hat sie dazu bewogen, sich entsprechend Gehör und somit den nötigen Raum zu verschaffen? Mehr haben sie letzten Endes nicht getan.

Stattdessen haben wir ausschließlich aus unserer Perspektive argumentiert. Hier müssen wir anerkennen, dass wir selbst Privilegien besitzen und die Dinge häufig aus dieser privilegierten Sichtweise betrachten.

Warum ist das sogar drei Jahre später immer noch so schlimm?

Für Queeraspora war unsere Stellungnahme verheerend. Die Folgen zeigten sich auf allen Kontaktebenen und setzten sich bei anderen Organisationen und auf politischer Ebene fest. Wo ihnen früher zugehört wurde, waren jetzt Türen verschlossen. Ihre Reputation war dahin. Bei einigen Mitgliedern Queerasporas hatte dies sogar Auswirkungen auf ihre jeweilige Lohnarbeit. Für Menschen, die auf vielfacher Ebene mit diskriminierenden Strukturen zu kämpfen haben, ist diese Erfahrung besonders schmerzhaft. Der Weg zurück ist nämlich deutlich schwerer, wenn man nicht zur Machtgesellschaft gehört.

Vielen Kindern mit Migrationsgeschichte wird beigebracht, dass sie sich in der Gesellschaft besonders gut benehmen müssen und dass sie möglichst keine Fehler machen dürfen. Sie stehen von klein an unter einem besonderen Druck. Es wird ihnen beigebracht, dass jeder falsche Schritt härter bestraft und seltener verziehen wird. Sie dürfen möglichst keine Angriffsfläche bieten, weil sowieso jede*r ein Fehlverhalten erwartet und sich hierdurch das im Vorfeld festgesetzte Bild dann nur bewahrheitet. In unserer gemeinsamen Geschichte haben wir nun etwas erlebt, das genau dieses Bild bestätigt. Für uns als Verein ging es weiter, für Queeraspora bedeutete es fast das Ende. Hierfür wollen wir uns aufrichtig entschuldigen.

Wie geht es nun weiter?

Im Verlauf dieses Jahres hat sich einiges getan. Viele Personen engagieren sich neu in unserem Verein, wir haben unsere Strukturen hinterfragt und auch mit Queeraspora sind wir in den Austausch gegangen. Die Stellungnahme aus dem Jahr 2021 haben wir von unserer Homepage entfernt und dieses Schreiben nun ist ein weiterer Teil unserer Aufarbeitung.

Festzuhalten ist, dass wir Queeraspora bei unserem CSD dabeihaben wollen. Dies muss dann aber auch entsprechend begleitet werden, denn wir wollen es nun richtig angehen. Dafür müssen wir im Gespräch bleiben und die nötigen Maßnahmen ergreifen, damit unser CSD auch wirklich für jede Person als eine Plattform für eigene Inhalte wahrgenommen werden kann. Bei diesen Gesprächen müssen wir nicht nur zuhören, sondern dann auch die entsprechenden Schritte gehen. Außerdem gilt es dann auch nach dem CSD Ende August weiter an uns zu arbeiten. Wir haben uns daher als CSD entschlossen, diesen weiteren Prozess mit Fortbildungen von Queeraspora e.V. mitzugehen und zusammen zu durchlaufen.

Wir freuen uns auf diesen gemeinsamen Prozess mit Queeraspora und hoffen, dass wir ein tiefes Verständnis füreinander entwickeln und als CSD-Verein insgesamt gestärkt daraus hervorgehen werden mit einem gewachsenen integrativen Selbstverständnis.

Geschrieben von:
Webredaktion

Unter dem Account "Webredaktion" schreiben verschiedene Autor:innen Texte für unsere Website.

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