Redebeitrag von Zoé Influenza (Zinfluenza) zum TDOR 2020

Zum Transgender Day of Remembrance in Bremerhaven 2020 stellen wir möglichst viele Redebeiträge online, damit sie auch durchgelesen werden können und langfristig zur öffentlichen Diskussion beitragen.

Hier folgt der Redebeitrag von Zoé Influenza (Zinfluenza).


Es klingt etwas zynisch, aber ich heiße euch herzlich Willkommen zum Transdender Day of Remembrance.

Es ist kalt und ungemütlich, aber ihr habt es her geschafft um heute derer zu Gedenken die es nicht geschafft haben. Seit dem letzten Trans Day of Remembrance sind 350 Morde aus trans-Hass verübt worden.

Seit den Zählungen zwischen dem Jahre 2008 und heute sind es in 75 Ländern mindestens 3664 registrierte Morde.

Hierbei trifft es meist People of Color und SexarbeiterInnen. Aber im Grunde ist niemand sicher und auch das hier sind nur Zahlen die nicht Ansatzweise an die Dunkelziffer heran kommen.

Denn Transmorde werden meist gar nicht als solche registriert. Die meisten Länder benutzen sogar auch nach dem Tod der Betroffenen den Deadname und verschleiern so die Identität der Betroffenen. So findet eine traurige doppelte Auslöschung statt. Die meisten Länder, darunter Deutschland, führen praktisch keine Statistiken zu transfeindlichen Morden oder überhaupt Gewaltdelikten. Einzig Berlin offenbart die Angriffe auf Homo- und Trangenderidentitäten. Was das für das ganze Land und seine queeren Menschen bedeutet, kann man in Dresden oder Frankfurt gerade ganz aktuell sehen. Und wenn die queeren Hintergründe von Mord und Gewaltverbbrechen durch die Polizei verschleiert werden spricht das für die Werte einer Gesellschaft.

Transfeindlichkeit ist leider auch ein großes Spektrum: Es muss nicht immer gleich Mord sein. Jeder hier mit Transhintergrund wurde mit Sicherheit mindestens schon einmal beleidigt wenn nicht noch schlimmeres. Viele von uns werden bedroht. Egal ob auf der Straße oder noch schlimmer: In der eigenen Familie, Gemeinde, Schule, dem Arbeitsplatz. Transphobie avanciert oft zu einem Normalzustand und findet in der Heteronormativen Öffentlichkeit selten Gehör.

Und im Gegenteil: Große Institutionen wie die katholische Kirche oder Evangelikale schüren noch zusätzlich den Hass. Sogar hier in Bremen schürt ein Pastor Latzel den Hass gegen uns. Wohin das führt kann man gut in Polen sehen. Denn dort ist schon das Halbe Land in LGBT Freie Zonen erklärt worden.

Und Hierzulande sitzt eine Afd im Bundestag und verhöhnt uns mit Sätzen wie „Wir seien alles nur Gendergaga“ und transfeindliche Ärzte dürfen Reden über uns schwingen, Pathologisieren und bevormunden.

Die Liste ist endlos und ich möchte den heutigen Tag nicht benutzen um auf all die Widrigkeiten und Missstände hinzuweisen, die uns in der Welt entgegen schlagen. Denn es geht voran. Sehr langsam, aber stetig.

Bis es jedoch soweit ist bitte ich euch solidarisch miteinander zu sein. Helft einander in der Not. Verwandte müssen nicht unbedingt Familie sein. Familie ist dort wo man seine Freunde hat und man selbst sein kann.

Wir müssen in diesen Zeiten Familie füreinander sein.

Gerade jetzt wo Corona viele von uns Isoliert. Schaut bitte nacheinander, gebt einander halt. Unterstützt euch gegenseitig bei Outings. Seid politisch aktiv wenn ihr Kraft übrig habt. Versteckt euch nicht und hofft, dass es irgendjemand anderes das macht. Wir sind nicht wenige und gemeinsam können wir etwas verändern.

Und wir sind was wir sind und wir können Stolz auf uns sein.

Vergesst niemals das wir nicht nur die Verantwortung für uns selbst haben, sondern auch füreinander.

Lasst uns nun heute derer Gedenken die es nicht geschafft haben, aber lasst und dabei nicht traurig und lethargisch werden. Lasst uns daran denken das wir noch da sind. Das wir hier jetzt stehen und Leben werden.

Lasst uns Still sein und uns verinnerlichen warum wir hier sind. Woher wir kommen und wohin wir gehen werden. Lasst uns daran denken das wir nicht alleine sind.

Wir halten zusammen und schaffen das.